von Mag. Andreas Gaisbauer, Managing Partner ACTUM Performance Group GmbH
Der unscharfe Begriff der Unternehmenssanierung wird auch in Österreich in den unformalen Bereich der außergerichtlichen und somit in weiten Teilen noch selbstbestimmten und -geleiteten Prozess der Unternehmenssanierung sowie den formalen, strengen Regularien unterliegenden Prozess der gerichtlichen Unternehmenssanierung unterschieden.
Bedingt dadurch, dass in Österreich kaum Marktdaten über das Verhältnis zwischen gerichtlicher und außergerichtlicher Sanierung vorliegen, kann hier nur die allgemein gültige Einschätzung getroffen werden, dass je größer und/oder komplexer und prominenter der Sanierungsfall, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine außergerichtliche Sanierung angestoßen und auch erfolgreich umgesetzt wird.
Da unsere Beratungsleistungen überwiegend auf die außergerichtliche Unternehmenssanierung oder Verfahren mit Eigenverwaltung fokussiert sind, konzentrieren wir uns in den folgenden Ausführungen hierauf.
Die außergerichtliche Unternehmenssanierung ist grundsätzlich möglich, solange keine zwingenden Insolvenzantragsgründe vorliegen und sollte daher rechtzeitig initiiert werden. Zwingender Insolvenzgrund ist der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder auch die Überschuldung, sofern keine positive Fortbestehensprognose vorliegt. Für die Insolvenz-anmeldung gilt in Österreich eine Frist von bis zu 60 Tagen. Der Unterschied zwischen Zahlungsstockung und Zahlungsunfähigkeit ist in der Rechtsmeinung klar definiert. Üblicherweise wird die außergerichtliche Unternehmenssanierung gemeinsam mit den Fremdkapitalgebern oder auf deren Forderung durch das Unternehmen angestoßen. In weiterer Folge muss durch die Geschäftsführung eine Fortbestehensprognose erstellt werden. Bei der Erstellung oder für die Plausibilisierung derselben ist - meist ebenfalls auf Anstoß der Stakeholder – eine Beratungsgesellschaft involviert.
Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat einen Leitfaden, der sich als Standard für die Erstellung von Fortbestehensprognosen etabliert hat, veröffentlicht. Der Inhalt und Umfang der Fortbestehensprognose ist gegenüber dem deutschen IDW-Standard geringer. Zwingender Inhalt ist neben der Analyse des Unternehmensstatus und -umfeld mit Lagebeurteilung, die Darstellung der Sanierungsmaßnahmen und die Prognoserechnungen (Primär- und Sekundärprognose), wobei grundsätzlich auf die Aufrechterhaltung der Zahlungs- und Lebensfähigkeit des Unternehmens abgestellt wird und für den Turnaround (definiert als „Wiedererlangung der Ertragskraft“) durchaus ein Zeitraum von 2 – 3 Jahren, in Einzelfällen auch länger, vorgesehen ist. Besagter Leitfaden zur Fortbestehensprognose enthält eine Gliederungsempfehlung und Beispiele für den Aufbau der Unternehmensplanungen.
Bei der Beurteilung der positiven Primär- und Sekundärprognose kommt es darauf an, ob der Eintritt überwiegend wahrscheinlich ist (Wahrscheinlichkeit > 50 %), und zwar aus der Sichtweise eines ordentlich handelnden Kaufmanns zum Zeitpunkt der Erstellung der Fortbestehensprognose (ex-ante- Betrachtung). Zur Vermeidung von Diskussionen zu einem späteren Zeitpunkt sind genaue Begründungen und Dokumentation der getroffenen Annahmen und Aufsatzpunkte notwendig.
Durch die gerichtliche Unternehmenssanierung wurde in Österreich mit dem Unternehmensreorganisationsgesetzt (URG) die Möglichkeit geschaffen, es nicht insolventen Unternehmen zu ermöglichen, eine gerichtliche Reorganisation einzuleiten.
Im österreichischen Insolvenzrecht werden die Sanierungsverfahren in mit oder ohne Eigenverwaltung sowie in das Konkursverfahren unterschieden. Ein Verfahren in Eigenverwaltung bedingt eine Mindestquote von 30 % zur Befriedigung der Verbindlichkeiten, eines ohne Eigenverwaltung eine Mindestquote von 20 %, welche jeweils innerhalb eines Zeitraums von bis zu 2 Jahren zu zahlen ist.
Die Erfahrung von ACTUM hat über die Jahre gezeigt, dass trotz oder gerade aufgrund diverser Änderungen im Insolvenzrecht ein gerichtliches Verfahren mit hohen Unsicherheiten und insbesondere durch den Fokus auf Formalismus sehr niedrigem Flexibilitätsgrad behaftet ist.
Die außergerichtliche Sanierung hingegen ist in den meisten Fällen – sofern insbesondere ein funktionierendes Stakeholder Management aufgebaut werden kann und die Sanierbarkeit des Unternehmens gegeben sind – zu bevorzugen und für alle Beteiligten erfolgsversprechender.