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Prof. Dr. Sandra Meister ist Professorin am Fachbereich Design der Hochschule Fresenius in Hamburg mit hohem Interesse auf dem Thema Nachhaltigkeit/ Sustainability. Dr. Michael Meister ist Director bei der Angermann Consult – welche Berührungspunkte haben die Themengebiete der Eheleute?

Prof. Dr. Sandra Meister
Professorin am Fachbereich Design der Hochschule Fresenius in Hamburg

Frau Dr. Meister, Nachhaltigkeit, das war ja bis vor einigen Jahren noch ein absolutes Randthema mit denen sich in den meisten Unternehmen im besten Fall ein bis zwei Mitarbeiter in einer Stabsabteilung beschäftigt haben – hat sich das geändert?  


Sandra Meister: Oh, ja! Kunden achten bei ihren Kaufentscheidungen heute deutlich mehr auf das soziale und ökologische Handeln der Unternehmen und Marken. Ihr Anspruch an die Verantwortung der Unternehmen hinsichtlich Reduktion von Plastikverpackungen und dem Angebot von umweltfreundlichen Produkten ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Die globale Bewegung „Fridays for Future“ hat sicherlich wesentlich dazu beigetragen, dass das Thema Klimawandel stärker im öffentlichen Bewusstsein verankert ist. Aber auch die Erfahrungen aus der Corona Pandemie haben verstärkt zu einem Umdenken geführt. Viele Menschen haben beim für die Zeit typischen Schrank ausmisten festgestellt, dass weniger auch mehr sein kann und ihr Konsumverhalten entsprechend angepasst. Außerdem wird mehr Transparenz, z.B. hinsichtlich der Lieferkette, eingefordert. Unternehmen, die hier nicht das richtige Angebot bieten oder sich der Transparenz entziehen wollen, werden es zukünftig deshalb sehr schwer haben.

Spannend. Wie sind Sie zu dem Thema gekommen?


Sandra Meister: Mein Schwerpunkt liegt im Marketing. Da treibt es mich natürlich um, was Kunden wollen und wie sich das Kaufverhalten entwickelt. Die Notwenigkeit zu mehr Nachhaltigkeit sehe ich aus diesem Grund schon lange. Bereits zu meiner Zeit bei Henkel, haben wir uns über den Markterfolg des Konkurrenten Frosch oder geeignete Produkte für die LOHAS Gedanken gemacht. Heute bearbeite ich zahlreiche Projekte mit Studierenden für unterschiedliche Marken und nehme seit jetzt 6 Jahren am Hamburg!Handel!Fair!-Wettbewerb teil. Hierdurch entstehen viele Kontakte – z.B. auch zum Hamburger Strassenmagazin „Hinz & Kunzt“, wo wir uns mit fairen Produkten für den Online-Shop beschäftigt haben.
 

Dr. Michael Meister
Director bei der Angermann Consult GmbH

Und selbst im Finanzsektor wird die Erfüllung von ESG-Kriterien ja mittlerweile eine Voraussetzung für Unternehmen, um kreditfähig zu sein.


Sandra Meister: Ja, das ist ein wichtiges Signal und verleiht dem Thema natürlich eine zusätzliche Dringlichkeit!


Herr Dr. Meister, welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit aus Ihrer Sicht für den Restrukturierungsmarkt?


Michael Meister: Die Automobil- bzw. Automobilzuliefererbranche ist hier sicher eine Branche, in der dieses Thema  nicht eben optimal angegangen wurde und in der wir jetzt auf breiter Ebene die negativen Auswirkungen sehen können. Es wurde sich viel zu lange gegen die Elektromobilität gesträubt, obwohl auf gesellschaftlicher und politischer Ebene lange schon erkennbar war, dass man sich diesem Trend nicht wird entziehen können. In Europa wurde zum Auto des Jahres 2020 der KIA EV6 gewählt, gefolgt von einem Peugeot und einem Hyundai – ich glaube, mehr muss man dazu gar nicht sagen.
Das Thema Nachhaltigkeit wird zunehmend eine zentrale Rolle in zahlreichen weiteren Branchen spielen. Das Management wird sich hiermit auseinandersetzen müssen und konkret die Frage stellen: „Was kommt auf unser Unternehmen hier zu? Wo müssen wir handeln?“. Nehmen wir als Beispiel den Markt für Pflegeprodukte. In Deutschland scannen heute bereits 25% aller Konsumenten die Produkte und vermeiden Mikroplastik – wer da noch nicht aufgewacht ist wird morgen definitiv nicht mehr am Markt sein.
Bemerkenswert waren für mich in diesem Zusammenhang übrigens auch die teilweise schnellen und einschneidenden Maßnahmen marktführender Unternehmen als Reaktion auf die Invasion der russischen Truppen in die Ukraine. Ich denke hier wird sichtbar, welchen Stellenwert gesellschaftliche Akzeptanz in der Marken- und Unternehmensführung heute haben. Betrachten wir das Thema im weiteren Sinne, belegen wissenschaftliche Studien schon seit längerem, dass eine positive Positionierung der Unternehmen in Bezug auf die CSR (Corporate Social Responsability) zunehmend zu einer Voraussetzung wird, um bei einer wachsenden Gruppe der Konsumenten als relevant wahrgenommen zu werden. Der Druck steigt.

Und da sind viele Unternehmen nicht drauf eingestellt?


Michael Meister: Im Moment sehen wir, dass die Unternehmen ganz stark damit beschäftigt sind die operativen Themenstellungen in Zusammenhang mit der Lieferketten-Problematik und den Kostensteigerungen zu managen. Selbstverständlich muss der Fokus jetzt auch hier liegen. Wichtig ist jedoch, darüber hinaus, nicht den lang- und mittelfristigen zentralen Aspekt der Nachhaltigkeit zu Vernachlässigen oder hintenan zu stellen. Zahlreiche Unternehmen wären gut beraten zu überlegen, ob ihr Produktportfolio in 3 Jahren noch zeitgemäß ist und wie sich das Unternehmen aufstellen sollte, um in Hinsicht auf Nachhaltigkeit und CSR die Erwartungen der Kunden zu erfüllen
 

Konkret, wo konnten Sie jetzt schon gemeinsam anfassen?

Michael Meister: Sehr gut hat die Neupositionierung unter anderem bei einem größeren Unternehmen aus der Baubranche funktioniert. Da ging es um eine kleinere Division, die sich mit Modulbau beschäftigt hat. Ein Bereich der allein schon aufgrund des sich kontinuierlich verschärfenden Personalmangels in den nächsten Jahren kontinuierlich positiv entwickeln wird. Spannend war hier, den zentralen Aspekt der Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie und Kommunikation sauber und fundiert verankern zu können.


Sandra Meister: Schön für mich war auch ein Projekt aus dem Mode-Bereich. Hier hatte Angermann das Projekt abgeschlossen und wir haben den Kunden von der Hochschule aus im Nachgang beraten, weil da eben ein Thema aufgepoppt war, wo es um Nachhaltigkeit ging und welches eine hohe wirtschaftliche Bedeutung für das Unternehmen hatte:  wie umgehen mit den Retouren? Vernichten ist keine Option. Das wird jedem klar, der schon einmal etwas von Sneaker-Jagd gehört hat.  Auch H&M und Burberry sind dadurch schon in Shit-storms geraten. Aus Beratersicht geht es darum, eine aus gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht nachhaltige Lösung für das Unternehmen zu finden.