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Wert und Preis

Rückbeteiligungen, Verkäuferdarlehen, „Earn-Outs“


Transaktionen von Unternehmen sind von Asymmetrien hinsichtlich der verfügbaren Informationen geprägt. Die beiden Seiten, die verhandeln, sind nicht auf demselben Stand. Verkäufer kennen in der Regel die Interna und sie wissen über die Abläufe Bescheid. Erwerber haben hingegen nur die Informationen, die ihnen im Transaktionsprozess offengelegt werden. Hierzu zählen das „Information Memorandum“ bzw. der Verkaufsprospekt oder das Exposé, die Management-Präsentation, diverse Gespräche, vor allem aber die „Due Diligence“, die intensive Prüfung der Zahlen, Daten und Fakten. Doch selbst diese professionelle Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und Gegenwart von Unternehmen reicht nicht aus, um alle dem Verkäufer geläufigen Dinge zu würdigen, so dass die Informationsasymmetrie ein wesentlicher Grund dafür ist, warum es zu verschiedenen Wert- und Preisvorstellungen der Parteien kommt.

Oliver Marquardt
Director Oaklins Germany
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Dabei stellt sich der Unternehmenswert im Transaktionsprozess üblicherweise als Ergebnis des Wettbewerbs in einem Bieterverfahren sowie in den Verhandlungen heraus. Hier vereinfacht dargestellt, geht er in der Praxis in den Kaufpreis ein, indem man die Barmittel hinzurechnet und die zinstragende Verbindlichkeiten („cash free/debt free“) unter Berücksichtigung eines definierten „Net Working Capital“-Niveaus in Abzug bringt.  

Dabei divergieren die Wert- und Preisvorstellungen der Verkäufer und die Rendite-erwartungen der Erwerber bei Transaktionen seit jeher signifikant. Wie lassen sich also die Erwartungen von Verkäufern und Käufern zusammenführen, so dass sich die Lücken in den Bewertungsvorstellungen schließen, zumindest aber minimieren lassen? Zu diesem Zweck stehen in der Ausgestaltung des Kaufvertrags mehrere Instrumente zur Verfügung. Insbesondere Verkäuferdarlehen, Rückbeteiligungen und variable Kaufpreisformeln wie „Earn-outs“, bieten Chancen, um die Bewertungen zu harmonisieren. Diese Instrumente werden oft auch miteinander eingesetzt.

Bei einer Rückbeteiligung räumt der Veräußerer der Erwerbergesellschaft Teile seines Veräußerungserlöses als Eigenkapital ein und wird so Mitgesellschafter der Erwerbergesellschaft. Es bleibt damit also mit allen Rechten und Pflichten eines Gesellschafters weiterhin (Mit-)Eigentümer des Unternehmens, wobei Rückbeteiligungen generell eine vertrauensbildende Maßnahme für Erwerber sind. Der im Unternehmen weiterhin aktive Veräußerer bleibt finanziell engagiert und gleicht damit seine Interessen mit denen des Erwerbers aus. Dadurch wird die anfängliche Informationsasymmetrie zumindest teilweise aufgehoben. Das durch die Rückbeteiligung (zusätzlich) bereitgestellte Eigenkapital erweitert den Finanzierungsrahmen des Erwerbers, so dass er selbst gegebenenfalls weniger Eigenkapital aufbringen muss. Nachteilig wirkt sich eine Rückbeteiligung aus, wenn der Veräußerer anstrebt, das Unternehmen nach der Transaktion zu verlassen.

Bei Verkäuferdarlehen wird der Kaufpreis in der Regel verzinslich gestundet, so dass Veräußerer mit ihrem „Vendor Loan“ einen Teil der Fremdfinanzierung übernehmen. Auch dieses Verfahren bietet sich im Zeichen der Informationsasymmetrie, das operative Risiko von Unternehmen einzuschätzen, zur Vertrauensbildung an. Zudem signalisiert der Verkäufer durch die Begebung eines „Vendor Loans“ Vertrauen in die positive Fortentwicklung des Unternehmens nach dem Verkauf, obwohl er künftig nicht mehr denselben Einfluss wie bisher hat. Sofern der Veräußerer für eine Übergangsfrist weiter als Geschäftsführer im veräußerten Unternehmen tätig bleibt, kann er jedoch die operative Entwicklung maßgeblich mitgestalten und reduziert zugleich sein Risiko aus dem Verkäuferdarlehen. Die Ausgestaltung erfolgt durch den Abschluss eines Darlehensvertrags als Anlage zum Anteilskauf- und Übertragungsvertrag. Das Verkäufer-darlehen ist in der Regel nachrangig gegenüber Bankfinanzierungen und nicht besichert. Teilweise wird auch vereinbart, dass das Darlehen mit Gewährleistungsansprüchen des Käufers aufgerechnet werden kann. Die Verzinsung liegt meist signifikant über dem gängigen Marktzinssatz und bietet dem Veräußerer insofern auch eine interessante Kapitalanlage.

Hängt die Unternehmensbewertung von zu vielen Unsicherheitsfaktoren ab, kommen häufig variable Kaufpreisgestaltungen („Earn-Outs“) zur Anwendung. Hierbei wird ein Teil des Kaufpreises in Abhängigkeit von der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens ausgezahlt, wobei der Kaufpreis in einen fixen und einen variablen Teil aufgeteilt wird. Gängige Bezugsgrößen sind EBIT bzw. EBITDA, übliche Zeiträume ein bis zwei, manchmal auch drei Jahre. Zur Minimierung von Konflikten greift man dabei oft auf sogenannte „Sliding-Scale“-Formeln zurück. Diese besagen, dass der „Earn-Out“ zum Beispiel bei einer Ziel-erreichung von 90 bis 100 % von 0 auf 100 % des Maximalbetrags steigt. In diesem Zusammenhang ist wesentlich, eine möglichst einfache Formel zu wählen, da sonst durch verschiedene Auslegungen erhebliches Konfliktpotential zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber entstehen könnte. Wichtig für Veräußerer ist zudem, die Zahlungsfähigkeit des Erwerbers bei dessen Eintritt ins Unternehmen sowie im Hinblick auf die nachträglichen „Earn-Out“-Zahlungen zu sichern.
 
Alternativ ist es auch möglich, einen variablen Kaufpreis in Form eines schrittweisen Verkaufs zu vereinbaren, bei dem sich die Tranchen an Meilensteinen orientieren. Werden sie erreicht, entsteht jeweils ein Anspruch auf eine vereinbarte (Teil-) Kaufpreiszahlung. Hierbei haben Veräußerer ebenfalls auf eine Zahlungs-absicherung sowie auf eine entsprechende Verzinsung analog zum Verkäuferdarlehen zu achten.

Zur Überwindung der Informationsasymmetrie und der aus ihr resultierenden verschiedenen Wertfestsetzung von Veräußerer und Erwerber besteht zudem die Möglichkeit, einen Besserungsschein zu vereinbaren, der auch als Mehrerlösklausel definiert werden kann. Der Erwerber wird bei einem Weiterkauf des Unternehmens verpflichtet, einen Teil des von diesem Dritten zu zahlenden Kaufpreises an den Veräußerer abzuführen, wenn er einen zuvor definierten Betrag übersteigt.

Verkäuferdarlehen und Rückbeteiligungen sind also Instrumente, um die Risiken zwischen Käufer und Verkäufer zu teilen, wobei Rückbeteiligungen zugleich dazu dienen, Veräußerer weiterhin an das Unternehmen zu binden. Demgegenüber finden variable Kaufpreisgestaltungen in der Regel statt, um Bewertungslücken zu schließen. Sie bilden Unsicherheiten gemäß der Informationsasymmetrie über die künftige Unternehmensentwicklung im Kaufpreis ab. „Earn-Out“-Gestaltungen sind umso häufiger, je unsicherer die Prämissen der Unternehmensplanung sind und bieten sich für Veräußerer an, wenn sie nach der Transaktion beispielsweise als Geschäftsführer immer noch aktiv Einfluss auf den Geschäftsverlauf nehmen können.

Tatsächlich entstehen die Kaufpreise von Unternehmen im Markt im Rahmen von M&A-Prozessen. Dabei verfügen die Parteien über viele Gestaltungsoptionen, um die Chancen und die Risiken zwischen Käufern und Verkäufern auszutarieren. Das bewertungstechnische Know-how zur Bestimmung der Kaufpreisvariablen, eine geschickte Argumentationsstrategie in einem Bieterwettbewerb und die eindeutige Definition wirtschaftlicher Stellgrößen sind für die erfolgreiche Auswahl und Verhandlung eines Kaufpreismechanismus entscheidend. Im Zusammenspiel wirtschaftlicher und rechtlicher Gestaltungen ist es über vielfältige Handlungsoptionen möglich, eine Transaktion eng an die Wert- und Preisvorstellungen der Parteien anzupassen. Hierbei sind Überlegungen zwingend gemeinsam vorzunehmen und umzusetzen, um ein bestmögliches Ergebnis für alle Parteien zu erreichen.

 

Die Erstveröffentlichung des Artikels von Oliver Marquardt, Director bei Oaklins Germany erfolgte in der Ausgabe 1/2 2020 des unternehmermagazins.

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