Mergers & Acquisitions:

Quo vadis, Unternehmens­wert?

Wir hatten uns so daran gewöhnt: Die Entwicklung der Bewertungsmultiplikatoren für Unternehmen kannte für eine Dekade nur eine Richtung – nach oben. Nie erahnte Größen von zehnfachem EBITDA und darüber wurden für gut ein-  geführte, aber ansonsten langweilige Unternehmen aufgerufen. Das Unternehmen bedurfte nicht einmal des Sexappeals eines Start-ups. Die Taschen der Investoren, ob Strategen oder Private Equity, waren prall gefüllt, und die Auguren sahen nur Wachstum voraus: The sky was the limit. Banken mussten sich anstrengen, um bei einer Transaktion überhaupt noch gefragt zu werden. Fremdkapital wurde zum Fremdwort. Die niedrigen Zinsen taten ein Übriges, um Unternehmensverkäufern satte Erlöse zu bescheren. Diese Sätze sind bewusst im Imperfekt formuliert, denn die Trendwende ist da.  

Dr. Hans Bethge
Geschäftsführer Horst F. G. Angermann GmbH
+49 (0)40 3 49 14-160

Am politischen Horizont erkennt man bereits das Wetterleuchten eines sich abzeichnenden Handelskrieges, der nicht allein zwischen den USA und China ausgetragen wird. Betroffen ist die gesamte globale Wirtschaft. 

Ein Paradigmenwechsel in der globalen Handelspolitik bedeutet Unsicherheit für das Wirtschaftswachstum generell, aber auch für das einzelne Unternehmen. Die Bewertung durch potenzielle Kreditgeber, aber auch durch direkte Investoren unterliegt dabei zwangsläufig einem höheren Risikozuschlag. Es bedarf also gar nicht erst der Rücknahme der Anleihenaufkäufe durch die EZB oder der für das kommende Jahr möglicherweise zu erwartenden Zinswende, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die Entwicklung bei der Bewertung von Unternehmen zumindest zu einem Stillstand gekommen ist. Ein Blick auf die volatilen Aktienmärkte bestätigt diese Annahme.   

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Nun lehrt die Erfahrung aus den Konjunkturzyklen, dass bei rückläufigen Bewertungen in der Phase nach dem Peak Lähmungserscheinungen eintreten. Der Verkäufer eines Unternehmens schaut zurück auf seine jüngsten Erfolge, die Bilanz hat goldene Ränder, und gestern hätte man ihm noch das zehnfache EBITDA geboten. Der Käufer andererseits sieht plötzlich dunkle Wolken am Horizont und blickt voraus. Selbst die Gegenwart zählt plötzlich nicht mehr, und die Abschläge auf den Unternehmenswert werden so stark messbar, dass sich kein Korridor für eine Kaufpreisbildung mehr findet. Diese Phase der Erkenntnisbildung bei potenziellen Verkäufern dauert in der Regel 12 bis 24 Monate, was sich in einem deutlichen Rückgang der Transaktionszahlen niederschlägt. Erst allmählich wird dann auch dem Verkäufer bewusst, dass er den Zeitpunkt verpasst hat, einen maximalen Kaufpreis zu realisieren. Sollte er dann noch verkaufen wollen oder müssen, sind Abschläge von 20 % und mehr hinzunehmen. 

Der Stimmungsumschwung ist beidseitig. Käuferseitig fehlt die Euphorie der Vorjahre, Visionen werden korrigiert, Risikopotenziale rücken verstärkt in den Vordergrund, und Investoren halten wieder vermehrt Ausschau nach Sonderangeboten. Für Finanzinvestoren kippt in vielen Fällen das geplante Exit-Szenario. Selbst Secondaries sind in dieser Situation keine Erfolg versprechende Alternative, wenn es an kaufwilligen Strategen fehlt. Die Zukunft muss neu eingepreist werden. Durch die teurer werdende Transaktionsfinanzierung wird man sich wieder intensiver mit Zinskalkulationen und den Verhandlungen mit Darlehensgebern auseinandersetzen müssen. In Zukunft werden Multiples von 5 bis 6 wieder normal. Was waren das noch für Zeiten, in denen noch 8 bis 10 möglich waren.