Der Geschäftsbereich Wind ist die Keimzelle von Saxovent. Seit der Gründung im Jahr 1997 wurden 399 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 810 MW entwickelt. Aktuell betreibt Saxovent 78 Anlagen mit einer Nennleistung von rund 190 MW. Was bedeutet diese Erfolgsgeschichte für die anderen Unternehmensbereiche?
Cornelia Sorge: Der Sektor der regenerativen Energien gibt uns ein solides Rückgrat. Besonders in den letzten zwei Jahren hat sich gezeigt, dass erneuerbare Energie nachhaltig stabile Erträge generieren kann. Mit unseren Bestandsanlagen können wir Assets in der Bilanz aufweisen, die für einen Projektentwickler nicht unbedingt typisch sind. Dadurch sind wir bonitätsstark und verfügen über weitreichende Möglichkeiten in der Finanzierung.
Was bedeutet dies für den Real Estate Sektor?
Cornelia Sorge: Dadurch, dass in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet wurde und ein organisches Wachstum stattgefunden hat, ist es uns möglich, auch in Krisenzeiten Investments zu tätigen.
Worauf achten Sie bei diesen Investments?
Cornelia Sorge: Der Klimaschutz ist eines unserer zentralen Unternehmensziele und Saxovent ist bereits seit einigen Jahren als Impact Investor aktiv. Vor drei Jahren ergab sich die Möglichkeit, in das Holzbauunternehmen timpla zu investieren. Anstoß gab die Entscheidung der Schweizer Renggli AG auf dem deutschen Markt in Element- und Modulbauweise mehrgeschossig aktiv zu werden. Renggli ist ein Traditionsunternehmen im hochwertigen Holzbau und Vorreiter im Bereich der Minergie-Häuser. So entstand der Plan, in Deutschland ein Werk zu errichten und nach lokalen Investoren zu suchen, die neben dem Kapital auch ihr Know-how zur Verfügung stellen. Saxovent hat sich hierbei als Leadinvestor sehr stark beim Unternehmensaufbau und der Produktentwicklung engagiert. Insgesamt stehen hinter timpla by Renggli vier Gesellschafter: Renggli AG, Saxovent GmbH, Sächsisches Ärzteversorgungswerk, MQ Real Estate GmbH. Gemeinsam haben wir die Vision die Immobilienwirtschaft durch den industriellen Holzbau sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch nachhaltig zu gestalten.
Stichwort Produktentwicklung, wie haben Sie diese vorangetrieben?
Cornelia Sorge: Wir haben einen Architekturwettbewerb ausgelobt, mit dem Ziel ein Modulsystem für den gemischten Wohnungsbau zu entwickeln. Aktuell sind wir dabei, den sehr spannenden Gewinnerentwurf – eine Grundrisstoolbox – serienreif auszuarbeiten, um so auf eine klimafreundliche Art und Weise Skalen- und Kosteneinsparungseffekte, die uns durch die industrielle Fertigung von Holzmodulen ermöglicht werden, zu nutzen.
Welche strategischen Ziele verfolgen Sie mit dem Investment bei timpla insgesamt?
Cornelia Sorge: Zum einen möchten wir damit in eine Unternehmung investieren, die einen wesentlichen Beitrag zum klimafreundlichen Bauen leistet. Gleichzeitig können wir mit der gemeinsam mit timpla entwickelten Modulserie noch besser unser Ziel als Projektentwickler umsetzen, klimapositiv zu bauen. Neben der Verarbeitung des Baustoffes Holz können wir Solarenergie und andere regenerative Energien integrieren. Dafür haben wir das vollumfängliche Know-how im Haus und das ist, wenn man so will, die DNA von Saxovent. So verfügen wir über eigene Experten und Expertinnen, die sich mit Energiekonzepten beschäftigen und so die CO2-Bilanz der Gebäude, die wir planen und realisieren, so gering wie möglich halten.
Was macht den Baustoff Holz so nachhaltig?
Cornelia Sorge: Zunächst einmal ist Holz ein nachwachsender Rohstoff. Holzbau ermöglicht zudem eine emissionsarme Erstellung von Gebäuden. Die Funktion des Holzes als CO2-Speicher wird auch als Baustoff gewahrt. Das gebundene Kohlenstoffdioxid wird im Gebäude eingelagert und schädigt somit nicht die Umwelt. Holz ist ein umweltfreundlicher und vielseitiger Baustoff, der zudem auch eine hohe Wiederverwendbarkeit aufweist. Letztlich kann der Holzbau einen sofortigen Beitrag leisten, um die Klimaziele in den nächsten 15 bis 20 Jahren zu erreichen.
Was ist beim klimaschonenden Bauen zu berücksichtigen undwas ist zu vermeiden?
Cornelia Sorge: Also unserer Ansicht nach muss man hier bei den großen Hebeln ansetzen, das heißt bei den massestarken Bauteilen. So werden der Erschließungskern oder die Tiefgarage in der Regel mit Stahlbeton gebaut. Der ökologische Fußabdruck ist hierbei besonders groß und aus unserer Sicht deshalb möglichst zu vermeiden. Idealerweise sollten Baustoffe genutzt werden, die wiederverwertbar und demontierbar sind, womit wir wieder bei den Vorteilen der Holzbauweise wären. Beim Thema Nachhaltigkeit geht es aber nicht nur um Baustoffe, sondern auch um nachhaltige Planung: Flächeneffizienz und möglichst wenig Versiegelung. Nicht zuletzt geht es aber auch um die Zukunftsfähigkeit und Flexibilität der Gebäude. Das bedeutet, es müssen Nutzungskonzepte und Grundrisse geschaffen werden, die multifunktional sind. Hier ist auch die Architektur gefragt, qualitativ hochwertige Gebäude zu kreieren, die über eine lange Zeit gut nutzbar sind.
Verteuert Nachhaltigkeit den Bau und die Verwaltung von Immobilien zwangsläufig?
Cornelia Sorge: Nein, eine gute und nachhaltige Planung muss nicht zwangsläufig mehr kosten. Gute Planungskonzepte sind eben auch ein wichtiger Baustein zur Nachhaltigkeit. Qualitativ hochwertige Materialien kosten zunächst möglicherweise erst einmal mehr, zahlen sich aber langfristig für einen weitblickenden Käufer, Endinvestor oder Nutzer aus.
Wie ist es mit der klimafreundlichen Sanierung von Bestandsimmobilien?
Cornelia Sorge: Die Sanierung von Bestandgebäuden zählt bislang nicht zu unseren Aktivitäten. Aber es ist natürlich eine ganz wichtige Herausforderung, die Immobilienbestände in Deutschland klimafreundlich zu sanieren. Der Holzbau kann auch hier einen maßgeblichen Beitrag leisten. So ist es beispielsweise denkbar, Holzfassadenteile vor der Ursprungsfassade zu montieren. Hier könnte timpla die notwendigen Fassadenteile liefern. Als Saxovent wollen wir uns aber auf den 3-D-Modulbau konzentrieren.
Inwieweit arbeiten die vier Unternehmensbereiche Wind, Solar, Agriculture und Real Estate zusammen und welche Synergieeffekte ergeben sich dadurch?
Cornelia Sorge: Direkte Synergieeffekte ergeben sich vor allem im ländlichen Bereich. Wir beobachten derzeit eine Art Stadtflucht und schauen deshalb auch in die peripheren Entwicklungsgebiete im Umkreis von Berlin. Dort gibt es Ansatzpunkte mit den Kommunen, was den Bau von Windkraft oder Solarkraftanlagen angeht und wo wir auch die Möglichkeit haben, Quartiere zu entwickeln. Unsere Vision ist tatsächlich, in den nächsten fünf Jahren ein klimafreundliches Dorf zu bauen. Das ist ein Herzensprojekt, welches unsere vier Unternehmensbereiche auf anschauliche Weise miteinander verknüpft und das wir anlässlich unseres mittlerweile 25jährigen Bestehens umsetzen wollen. Wir möchten damit ein Zeichen setzen, dass ein klimaneutrales Leben möglich ist.
Wie kann der Spagat zwischen der großen Nachfrage nach Wohnimmobilen und Klimafreundlichkeit und Bezahlbarkeit gelingen?
Cornelia Sorge: Unsere Antwort darauf ist das serielle Bauen. Durch die industrielle Fertigung im Werk können wir Skaleneffekte heben, da bestimmte Baumaterialien in größeren Mengen bestellt und in einer sehr prozessoptimierten Art und Weise verarbeitet werden können, was im Übrigen auch unter besseren Arbeitsbedingungen geschieht. Der serielle Bau ermöglicht zudem, dass erheblich schneller gebaut werden kann, was in der gegenwärtigen Zinssituation und dem Kostendruck ein zusätzliches Argument ist. Auch der Energieverbrauch spielt eine wichtige Rolle. Entscheidend ist, dass man auf integrale Planung achtet und dass das Gebäude über ein stabiles System verfügt, welches dem Nutzer mit geringem technischem Aufwand hilft, möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Dies gilt gerade hinsichtlich der Perspektive, dass wir zukünftig einen höheren Kühlungsbedarf haben werden.
Verlängert sich durch eine nachhaltige Bauweise die gesamtwirtschaftliche Nutzungsdauer von Immobilien?
Cornelia Sorge: Valide Erfahrungswerte haben wir hier noch nicht. Modulares Bauen ermöglicht aber in jedem Fall eine hohe Flexibilität, da Gebäude nach ihrer Errichtung wieder demontiert werden können, um sie an einem anderen Ort wieder aufzubauen oder zu rezyklieren. Dies ist auch eine Form der Nachhaltigkeit und ermöglicht den langlebigen Einsatz der Bauteile. Zirkularität ist ein wichtiges Prinzip des nachhaltigen Bauens und kann durch den nachwachsenden Baustoff Holz ideal erfüllt werden.
Saxovent Real Estate Projekt Gotthardstraße
In der Gotthardstraße 90 in Berlin Reinickendorf entsteht ein Multigenerationen Haus mit 57 Wohnungen, einer Kindertagesstätte und einem Pflegestützpunkt. Das Gebäude wird in Holz Modulbauweise errichtet und mit 100% regenerativer Energie versorgt. Ziel ist ein klimapositiver Lebenszyklus des Hauses sowie eine soziale, gemeinschaftliche Nutzung.
Bildnachweis: Saxovent
(Der Artikel erschien 2023 in der IN.PUNCTO-Ausgabe No. 26)