M&A:

Lebensmittelbereich weiter im Fokus

Makroökonomisches Umfeld

Seit Jahresbeginn 2022 hat sich die wirtschaftliche und politische Situation verändert und ist herausfordernder geworden. Aufgrund der veränderten makroökonomischen Rahmenbedingungen mussten sich Unternehmen auf Störungen der globalen Lieferketten, steigende Energiepreise, Zinsen und Inflation einstellen. Durch die Corona-Pandemie, die ihren Anfang im Frühjahr 2020 nahm, haben Unternehmen gelernt, mit massiven externen Einflussfaktoren umzugehen und schnell die Gegebenheiten zu adaptieren. Auch viele europäische und globale Wettbewerber stehen vor den gleichen Herausforderungen, speziell im Bereich der Lieferketten. Jedoch sind insbesondere immense Energiekosten, unzureichende Gasversorgung, Sanktionen, hohe Inflation sowie potenziell weitere Pandemiemaßnahmen ab Herbst 2022 Themen, die die Unternehmen der deutschen Wirtschaft treffen. Insbesondere die Energieseite kann hier einen Wettbewerbsnachteil auslösen.
 

Oliver Marquardt
Direktor bei Oaklins Germany und Leiter des Frankfurter Büros

Der im Februar 2022 beginnende Ukrainekrieg hat das lange boomende M&A-Geschäft zunächst abrupt gebremst. Das Marktgeschehen hat jedoch seit dem Frühsommer 2022 wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Sowohl Strategen als auch Finanzinvestoren wissen M&A weiterhin gezielt als strategisches Instrument zu nutzen. Im ersten Halbjahr 2022 konnte trotzdem ein beeindruckendes Transaktionsniveau, trotz des Kriegsausbruchs in der Ukraine, mit über 1.400 angekündigten bzw. abgeschlossenen Transaktionen mit deutscher Beteiligung verkündet werden. Damit konnte das Niveau des Vorjahrszeitraumes fast erzielt werden (-4,6%). Noch beeindruckender wird das realisierte Niveau, da das erste Halbjahr 2022 das erfolgreichste M&A- Halbjahr seit 25 Jahren war.
Warum ist das so? Insbesondere Finanzinvestoren verfügen über hohe Geldbestände und stehen somit unter Anlagedruck. Die den Fonds Gelder bereitstellenden Investoren wollen eine entsprechende Rendite erzielen. Durch diesen Effekt sollte der M&A-Markt weiter positiv beeinflusst werden. Aber auch strategische Investoren streben nach Wachstum und setzen hierbei nicht nur auf organisch erreichbare Ziele, sondern auch auf anorganisches Wachstum.

Die Lebensmittelindustrie – Beschreibung und Trends

Die Lebensmittelindustrie zählt zu den wichtigsten Sektoren der deutschen Wirtschaft. Aktuell sind rd. 600.000 Personen in der Lebensmittelindustrie in Deutschland bei ca. 6.000 Unternehmen beschäftigt, wobei der Großteil mittelständisch strukturiert ist. Deutschland ist der größte Produzent von Lebensmitteln innerhalb Europas und der drittgrößte Exporteur weltweit. Die Qualität deutscher Produkte ist international stark nachgefragt. Mehr als drei Viertel aller Exporte verbleiben in der EU. 
Die wesentlichen Subsektoren sind die alteingesessenen Segmente der Fleisch- und fleischverabeitenden Industrie, die Milchindustrie, Süßwaren sowie alkoholische Getränke. 

In den letzten Jahren konnte ein struktureller Wandel innerhalb der Lebensmittelindustrie, getrieben durch neue oder sich verstärkende Markttrends, beobachtet werden. Diese Markttrends werden häufig durch junge Unternehmen fokussiert, führen jedoch ebenso zu Veränderungen bei den etablierten Unternehmen. Die Adaption der Markttrends bei den etablierten Unternehmen erfolgt zumeist durch anaorganisches Wachstum in Form von Zukäufen und/oder Beteiligungen der jungen Unternehmen. Dadurch lassen sich beim Erwerber häufig signifikante Synergien heben, die das Wachstum der jungen Unternehmen beschleunigen. 

Oaklins hat diese Markttrends früh erkannt und zu wesentlichen Themens Reports veröffentlicht. Diese können auf der Oaklins-Webseite im der Rubrik "Publikationen des Food & Beverage Teams" eingesehen werden.

Was kann man aktuell am Markt ebenso beobachten? Gerade im Hinblick auf die makroökonomische Situation konnte in den letzten Wochen festgestellt werden, dass Verwerter von aussortierten Lebensmitteln eine stark gestiegene Nachfrage verzeichnen konnten. Entgegen dem bisherigen Kundenprofil sind mittlerweile Kunden aus allen sozialen Schichten zu finden. Sie treibt vor allem das Sparen zu Lebensmitteln mit abgelaufenem und kurz davorstehendem Haltbarkeitsdatum. Die Anbieter haben sich von einem „cool und wichtig“-Anbieter zu einem Grundversorger verändert. 

Die Lebensmittelindustrie als Investment

Der Vergleich der Kursentwicklung der letzten 12 Monate von Nestlé sowie der deutschen Unternehmen Südzucker und KWS Saat zu der Entwicklung des Dax zeigt deutlich, dass die Unternehmen eine höhere Rendite als der Gesamtmarkt erzielen konnten. Gerade in Krisenzeiten suchen Investoren „sichere“ Anlageopportunitäten.  
Die Lebensmittelindustrie gilt anlagetechnisch als konservative Branche und sicherer Hafen, da Konsumenten nur innerhalb der Branche wechseln können, jedoch auf die Produkte der Industrie angewiesen sind. Bei langfristiger, globaler Betrachtung wird der Trend bestätigt. Der MSCI Food global konnte im Zeitraum von 5 Jahren den deutschen Leitindex deutlich outperformen.
 

Bewertungstrends innerhalb der Lebensmittelindustrie

Innerhalb der Lebensmittelindustrie wird in diverse Segmente unterschieden. Oaklins orientiert sich zu Bewertungszwecken an börsennotierten Unternehmen und der Einteilung in 16 Industriezweige. Zur Überleitung der Bewertung auf nicht börsennotierte Unternehmen ist eine Fundamentalanalyse des zu bewertenden Unternehmens unerlässlich, da die Bewertungsmultiplikatoren im Einzelfall abweichen können. Grundsätzlich ergibt sich jedoch anhand der Betrachtung der Börsenbewertungen eine Indikation für Unternehmen innerhalb der Segmente.

Die folgende Grafik zeigt die Segmente, die aktuell die höchsten, für das Kalenderjahr 2022 erwarteten, EV/EBITDA-Multiplikatoren aufweisen.

Im Vergleich zum 31.12.2021 sind die Segmente nahezu unverändert. Das Segment „Bread & Bakery“ ist aktuell das am dritthöchsten bewertete Segment, während es zum Ende 2021 an Position 5 lag. „Confectionary“ und „Seasonings“ sind entsprechend von Position 3 auf Position 4, respektive von Position 4 auf Position 5, gerutscht.

M&A Aktivität mit deutscher Beteiligung

In den letzten sechs Monaten wurden laut CapitalIQ 25 Transaktionen mit deutschen Unternehmen der Lebensmittelindustrie durchgeführt. Bei Analyse der Transaktionen kann festgestellt werden, dass zumeist anorganisches Wachstum sowie eine Produktportfolioerweiterung im Fokus standen. Neben den klassischen mittelständisch geprägten Transaktionen sind insbesondere der Erwerb von Ankerkraut durch Nesté sowie der Erwerb der deutschen Marken Landliebe, Südmilch, Puddies, Mondelice und Tuffi von dem niederländischen Wettbewerber Friesland Campina durch die Müllergruppe. Trotz der beschriebenen makroökonomischen Lage werden weiterhin M&A-Transaktionen durchgeführt.

Neben den bereits genannten Rationalen Wachstum und Portfolioerweiterung haben seit zwei bis drei Jahren insbesondere die Themen Environment, Social and Governance (ESG) bei Konzernen, Finanzinvestoren und Banken an Bedeutung gewonnen. Die Einhaltung von Umweltrichtlinien, die Förderung von Diversität und gute Governanceregeln fallen damit bei Akquisitionsentscheidungen immer stärker ins Gewicht. M&A wird zu einem wichtigen Managementtool, um die eigene ESG-Bilanz zu verbessern. Aus diesem Grund werden heute bereits in den Transaktionsdokumenten die ESG Richtlinien und Aktivitäten der Zielgesellschaften erläutert. Dies lässt sich ebenso in nahezu allen Branchen beobachten.
 

Outlook

Aufgrund des makroökonomischen Umfeldes und Lebensmitteln als konservative, defensive Industrie erwarten wir eine positive Entwicklung.

Wesentliche Treiber der positiven Entwicklung in 2023 sind:

  • Zwang zur kritischen Größe
  • Digitaliserung 
  • Sicherung der Lieferketten
  • Überprüfung des eigenen Portfolios
  • Anlagedruck bei Finanzinvestoren
  • ESG
  • Aktionärsaktivismus

 

 

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